Juwel sucht Goldschmied
Wie ich mich in der Zukunft sehe?
Mich, den Gasthof Neuwirt im Herzen von Virgen im Osttiroler Virgental?!
Meine Rolle als Postkartenmotiv erfülle ich optimal, aber sie ist mir zu klein, um ehrlich zu sein. In mir steckt mehr Potenzial.

Bei mir lässt es sich himmlisch schlafen. Unser Flecken Erde hat die Qualität einer Schatzkammer. Kraft und Energie bauen sich im Virgental ganz ungezwungen auf. Ich biete derzeit acht gemütliche Komfortzimmer.
Bei mir lässt es sich himmlisch gesellig sein. Weit weg vom Trubel der Welt stehe ich für Gastlichkeit und das Befreien aller Sinne. Beim Musizieren und Tanzen im Saal, beim Nichtstun und den Blick schweifen lassen in meinem schönen Gastgarten, beim Genießen zu Tisch in den Stuben, beim kleinen Plausch an der Bar.
Bei mir lässt es sich himmlisch kochen. Das Virgental liefert fast alles, was auf den Teller kommt. Und dazu habe ich, der Neuwirt, noch einen besonderen Trumpf: Einen eigenen Fischteich unten im Tal an der Isel, der Forellen und Saiblinge enthält. Auf Wunsch darf man dort auch selber angeln. Besser könnten die Voraussetzungen für Köstlichkeiten mit Seele und Kreativität nicht sein!
Bei mir lässt es sich himmlisch ausspannen und sportlich sein. Abseits der großen Zentren den Alltag vergessen und einfach nur genießen. Die Möglichkeiten sind vielfältig, egal ob sanft, vital oder intensiv: Isel-Trail, Wanderwege, Berggipfel, Motorrad-Strecken, Schipisten, Langlauf-Loipen, Fischen in der Isel oder im hauseigenen Teich.
Bei mir lässt es sich himmlisch kreativ und meditativ sein. Das beweisen schon die Werke, die meine Wände zieren. Oft wurden sie von meinen Wirten anstelle von Bargeld für ein Essen akzeptiert. Die Möglichkeiten sich frei zu spielen und selbst zu verwirklichen sind groß.
Kurzum: Bei mir lässt es sich himmlisch Gast sein.


Ich blicke auf eine 400jährige Rolle als Ortsmittelpunkt zurück. Ob mein Name „Neuwirt“ meinen Ursprung reflektiert, weiß ich allerdings nicht. Jedenfalls bin ich eines der ältesten Virgener Gebäude und wurde um 1600 von einem geistlichen Herrn erbaut: Pfarrer Valentin Fercher war ein tatkräftiger Mann mit bemerkenswertem Lebenslauf. Als Sohn des Matreier Pfarrers hat er Theologie studiert, das Studium abgebrochen, geheiratet, drei Töchter bekommen und sich als Verwalter und Richter etabliert. Nach dem frühen Tod seiner Frau setzte er sein Studium fort, wurde zum Priester geweiht und kam 1592 als Pfarrer nach Virgen zurück. Als eine seiner Töchter 1609 dem „Gastgeb“ Balthasar Schultes das Ja-Wort gab, schenkte er mich, sein mit Stolz neu erbautes Haus, dem jungen Ehepaar als Mitgift.
Ich brachte den frischgebackenen Wirtsleuten Glück und wurde als Gasthaus ein Treffpunkt im Virgental. Sohn Christoph hat mich 1658 verkauft – an die auf Burg Rabenstein wohnenden Pfleger (=Verwalter) von Virgen. Rabenstein, das heute als Ruine erhaben über meinem Heimatort thront, war eine Burg der Görzer Grafen und während ihrer Herrschaft auch Sitz des Virgener Gerichts. Nach dem Verkauf dauerte es aber noch über 50 Jahre, bis 1703, da „… zog der damalige Pfleger Jakob Miller … vom Schlosse herab und bewohnte als erster das hier im Dorfe hergestellte Pfleghaus“ (Zitat aus der Virgener Chronik), also mich. Für fünf Jahrzehnte wurde ich als Herrenhaus und Kanzlei genutzt. Dann kam ich wieder in privaten Besitz und wurde 1802 von der Familie Resinger übernommen, die mich seither ohne Unterbrechung als Wirtshaus führt.


Als im Kern spätgotisches Gebäude stehe ich unter Denkmalschutz und falle durch mein dekoratives Gesamtbild und meinen Runderker mit Kegeldach auf. Dieser stammt nicht, wie man denken mag, aus den 1920er Jahren. Er war auch kein Wohnbereich, sondern ein Taubenschlag! Wer weiß, vielleicht war ich ja früher für geschmorte Täubchen berühmt?!
Meine Fassade ist mit einer Statue der Heiligen Barbara und einem barocken Wandbild des Heiligen Zachäus über der Tür geschmückt. Mein authentisches Flair garantiert Fotografen und Filmemachern seit Jahrzehnten den Extra-Kick: Schon 1929 hat man das erkannt und einen der frühesten deutschen Außenaufnahme-Tonfilme mit mir gedreht. Er heißt „Der unsterbliche Lump“. Regie führte Gustav Ucicky, die Besetzung mit Gustav Fröhlich, Liane Haid sowie Paul und Attila Hörbiger spricht für sich. Leider ist der Film, soweit ich weiß, vergriffen, doch es existiert ein Making-of-Foto im Internet.


Ganz objektiv betrachtet und unbescheiden gesagt bin ich ein Juwel. Juwelen sind ja bekanntlich kostbare Schmuckstücke. Und als ein solches sehe ich mich: Als ein Kleinod, das seinen Heimatort prägt. In Harmonie mit den Nachbarhäusern und der Kirche bilde ich einen unwiderstehlichen Blickfang und bin das Wahrzeichen von Virgen. Alteingesessen, Gold wert, malerisch. Doch obwohl funkelnd und gut platziert, wäre ich, wenn man so will, für eine Auffrischung qualifiziert. Wer mich fasst und neu poliert braucht lediglich Vorstellungsvermögen, Geschick und Kreativität. Statt feilen, löten, sägen hieße es inszenieren, innovieren und als Highlight neu integrieren.